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Wenn wir Ihnen jetzt erzählen, dass Sie hier auf Schreyers Hoek stehen, ahnen wir was kommt. Dazu muss man kein Prophet sein. Sie werden verdutzt sein, vielleicht sogar ein bisschen irritiert. Wenn überhaupt, kennt man den Begriff aus den Niederlanden. Falls Sie Plattdeutsch verstehen, können Sie sich die Bedeutung vielleicht auch zusammenreimen. Übersetzt heißt Schreyers Hoek in etwa Jammer-Ecke. Was es mit dem Verständnis nicht unbedingt leichter macht. Zweifellos gibt es in Emden keinen anderen Ort mit einem ähnlich ungewöhnlichen Namen.

Früher war diese Landzunge zwischen Ratsdelft und Falderndelft nicht selten ein Platz der Trauer. Es war damals der südlichste Punkt von Emden. Von hier aus wurden im 16. Jahrhundert die Emder Seeleute von ihren Familien verabschiedet, wenn die Schiffe den Hafen verließen. Hier haben Frauen und Kinder auch auf die Rückkehr ihrer Männer und Väter gewartet. Der Abschied war nicht immer still, der Empfang nicht immer erfreulich.

Auf Schreyers Hoek sind viele Tränen geflossen. Dieser Ort hat Wehklagen und Schreie der Verzweiflung gehört, er hat tiefsitzenden Schmerz miterlebt. Wer hier stand, wusste: das Meer ist unberechenbar. Mit Seefahrerromantik hatte das Leben an Bord nichts zu tun. Immer bestand die Gefahr, dass die Männer nicht zurückkommen. Oft genug war es so. Die in den Hafen einlaufenden Schiffe brachten dann nicht nur Ladung mit, sondern auch Todesnachrichten.

In Hafenstädten in den Niederlanden gibt es Plätze mit ähnlichem Namen und ähnlicher Geschichte. Amsterdam zum Beispiel hat einen Schreyerstoren.

Die Landzunge Schreyers Hoek teilt sich in die zum Ratsdelft hin gelegene Westerbutvenne und die Osterbutvenne am südlichen Falderndelft. „Venne“ ist niederdeutsch und bedeutet –sumpfiges Land oder, wie in diesem Fall, Weideland für Vieh. Schreyers Hoek war zu der damaligen Zeit noch nicht bebaut. Hier wuchs Gras. Das Gelände lag „buten“, also außerhalb der Stadt.

Heute gehört Schreyers Hoek mit seiner Nähe zum Wasser zu den beliebtesten Wohnvierteln in Emden. Die Bewohner des Hochhauses an der Spitze der Landzunge können den gesamten Hafen überblicken. Darum werden sie von vielen Emdern beneidet. Dabei hat aber auch der Ausblick vom Stigt, also der Ufertreppe, seine Reize.