Ob mit Kartoffeln und grünen Bohnen, mit Schwarzbrot und Zwiebeln, im Brötchen oder einfach nur so: Wer Emden besucht, isst Matjes. Mindestens einmal – meistens öfter. Sicher haben Sie auch schon einen probiert. Wenn nicht, sollten Sie das noch tun. Es lohnt sich. Bei den Emdern selber kommt der jungfräuliche Hering, der in Salzlake reift, regelmäßig auf den Tisch. Sie feiern ihm zu Ehren sogar einmal im Jahr ein Fest: die Matjestage. Damit wird an die lange Geschichte der Heringsfischerei in Emden erinnert. Das erste Kapitel beginnt 1553. Weil Holländer sich mit dem silbernen Fisch da schon eine goldene Nase verdienen, steigt Emden in das Geschäft ein. Gräfin Anna lässt die erste Heringsfanggesellschaft gründen. Gefischt wird vor der norwegischen Küste. Noch ohne Auflagen. Doch damit ist es bald vorbei. 1597 wird in Emden die erste Heringsverordnung erlassen. 35Paragraphen schreiben vor, wie mit dem Hering umzugehen ist. Ob Fang, Verarbeitung oder Handel - für alles gibt es Regeln. Fast 80 Jahre lang geht das Unternehmen auf Fangfahrt. Mit der Zeit weicht es aber immer stärker vom Erfolgskurs ab. Schuld ist wohl die starke Konkurrenz aus den Niederlanden. 1643 gibt es die Gesellschaft nicht mehr. Das erste Kapitel der Emder Heringsfischerei ist beendet.
Das zweite beginnt 1769. Auf Anordnung der preußischen Regierung wird der Heringsfang wieder aufgenommen. Man braucht Fisch. Wieder kommt es zur Gründung einer Gesellschaft, der Emder Heringsfischerei Kompanie. Sie erhält zunächst Prämien und wird mit einem Privileg ausgestattet. König Friedrich II. verfügt: Das Unternehmen aus Emden darf als einziges in preußischen Landen Hering fangen. Trotzdem bleibt auch dieses Kapitel ein kurzes: Bedingt durch die Besetzung Ostfrieslands durch Holländer und Franzosen wird die Kompanie 1810aufgelöst.
1872 leitet die Gründung der „Emder Heringsfischerei Aktiengesellschaft“ das drittel Kapitel der Geschichte ein. Wie die gewieften Holländer geht man mit Segelloggern aus Holz und Treibnetzen aus Baumwolle auf Fang. Der Museumslogger im Ratsdelft erinnert heute an diese Zeit. Ihren Sitz hat die Gesellschaft damals beim Eisenbahndock am Alten Binnenhafen. Hier werden Gebäude errichtet, um die Heringe zu verarbeiten und die Netze zu lagern. Das erste Fangschiff kommt mit 113 Tonnen Hering zurück. Das ist ein Erfolg, der nicht ohne Folgen bleibt. In den nächsten Jahrzehnten werden drei weitere Heringsfischerei Gesellschaften gegründet: Neptun, Dollart und Großer Kurfürst. Neptun stellt nacheinem Großbrand 19194 den Betrieb ein. Die anderen bilden später Betriebsgemeinschaften. Im ersten Weltkrieg gibt es keinen Heringsfang, 1919 geht es wieder los.
Der Hering bringt vielen Emdern Arbeit – schwere Arbeit. An Bord und für die Verarbeitung werden Männer gebraucht. Frauen flicken die Netze. Mit der Zeitersetzen Dampf-, dann Motorlogger die Holzschiffe. Von Juni bis November sind sie in ihren Fanggebieten unterwegs. Ab Mitte der 1950er Jahre allerdings gibt es dort kaum noch etwas zu holen. Deshalb nimmt man weite Touren in Kauf – fischt vor Grönland und Neufundland. Was sich allerdings nicht rechnet. 1969 endet das dritte Kapitel des Emder Heringsfangs. Es ist das letzte.