Lust auf ein kleines Rätsel? Welches Gebäude in Emden ist so hoch wie 14übereinander gebaute Drei-Meter-Sprungtürme, hat eine helle Jugendstil-Fassade und ein rotes Dach mit goldener Kugel? Okay, die Frage ist nicht besonders schwierig. Natürlich ist es der Wasserturm, vor dem Sie jetzt gerade stehen. Bestimmt ist er Ihnen schon von Weitem aufgefallen. Mit seinen 42 Metern schafft es das Gebäude, vieles in Emden zu überragen. Dabei ist es nicht allein die Höhe, die den Bau zu etwas Herausragendem macht. Der Turm, der so elegant und schlank in den Emder Himmel ragt, bringt das Gewicht von 800 ausgewachsenen Elefantenbullen auf die Waage. Es sind 4000 Tonnen. Dazu kommen noch einmal 1000 Tonnen Trinkwasser, die er speichert. Die Menge reicht aus, um alle Emder Haushalte anderthalb Stundenlang zu versorgen.
Als der Wasserturm 1911/12 Jahren gebaut wird, zählt er zu den größten Wassertürmen überhaupt. Er wird als technisches und architektonisches Meisterwerk bewundert. Das filigrane Schwergewicht verlangte nach einer besonderen Statik. Gegründet ist der Turm auf 261 Pfählen. Darauf hat man die Bodenplatte gegossen, über die sich die zehn miteinander verbundenen Doppelsäulenerheben. Sie tragen einen zylindrischen Stahlbetonbehälter, in dem sich das Wasserbecken befindet.
Rauf und runter geht es über 184 Stufen, also nur mit Kondition. Apropos Kondition: Errichtet wird dieser Wasserturm seinerzeit, weilseinem älteren Bruder die Puste ausgeht. Der ist nicht mehr groß genug, um die ganze Stadt zu versorgen. Emden ist gewachsen. Es hat sich unter Oberbürgermeister Leo Fürbringer zu einer bedeutenden Hafen- und Industriestadt gemausert. Noch heute nennt man seine Amtszeit von 1875 bis 1913 die Ära Fürbringer. Ihm ist der Aufstieg zu verdanken. Der Hafen, neue Fabriken und Werften bieten Arbeitsplätze. Aus allen Teilen des Landes ziehen Menschen nach Emden, um hier ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Fürbringer hat nicht nur das Geschick, die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt voranzubringen. Er will auch, dass es den Bürgern in Emden gut geht. Dazu gehört, dass es nicht mehr stinkt. Lange entsorgten die Einwohner ihre Fäkalien in den Stadtgräben. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie das gerochen hat. Unhygienisch war es außerdem. Fürbringerer lässt deshalb zunächst eine Tonnenverordnung. Damit wird ab 1878 geregelt, dass die Fäkalien abgefahren werden. Knapp zehn Jahre später ist die erste Kanalisation fertig.
Für Druck in den Leitungen und kurz darauf auch für Trinkwasser sorgt ab 1896 der erste Wasserturm. Er steht in der Nähe des ehemaligen Südbahnhofs und wird über ein Wasserwerk in Tergast gespeist. Von dort bekommt Emden noch heute sein Wasser. Als der Speicherplatz im ersten Turm nicht mehr ausreicht, wird hier an dieser Stelle der zweite gebaut. Bis 1974 sind beide in Betrieb, 1976 reißt man den alten Wasserturm ab. Sein jüngerer Bruder, inzwischen auch schon mehr als 100Jahre alt, trägt noch heute zu einer sicheren Wasserversorgung in Emden bei. Er wird von den Stadtwerken betrieben, die ihn 1991 saniert und dabei auch alte Bausündenrückgängig gemacht haben. Seit 1999 steht der Emder Wasserturm unter Denkmalschutz.